Die Verpflichtung des Auftraggebers, den zur Absicherung evtl. Gewährleistungsansprüche einbehaltenen Restwerklohn auf ein Sperrkonto einzuzahlen, stellt jedenfalls bei Geltung der VOB/B eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Werkunternehmer dar. Unterlässt der Auftraggeber die Einzahlung auf ein Sperrkonto und kann er den Restwerklohn infolge eigener Insolvenz nicht mehr auszahlen, so kann dies Untreue nach dem Treuebruchtatbestand sein (OLG München, Beschluss vom 23.02.2006 2 Ws 22/06).
Sachverhalt:
Ein Sanitärhandwerksbetrieb hatte mit einer Baubetreuungs-GmbH einen Bauvertrag abgeschlossen und die VOB/B einbezogen. Auf die gelegten Rechnungen hin zahlte die Auftraggeberin die Sicherheitseinbehalte nicht aus, sorgte jedoch auch nicht dafür, dass diese auf ein Sperrkonto eingezahlt wurden.
Es kam, wie es kommen musste: Die Baubetreuungs-GmbH als Auftraggeberin verfiel in Insolvenz, der Sicherheitseinbehalt konnte nicht mehr ausgezahlt werden.
Nunmehr leitete die zuständige Staatsanwaltschaft gegen den Geschäftsführer der Baubetreuungs-GmbH ein Ermittlungsverfahren ein, weigerte sich jedoch, Anklage zu erheben, da angeblich kein hinreichender Tatverdacht vorläge. Daraufhin betrieb die Antragstellerin das so genannte Klageerzwingungsverfahren und erhob gegen den Beschluss der Staatsanwaltschaft, keine Anklage zu erheben, gerichtliche Schritte.
Dem entsprach das OLG München und wies die Staatsanwaltschaft an, Anklage gegen den Geschäftsführer zu erheben. Denn es sei eine konkrete Vermögensbetreuungspflicht, wenn der Auftraggeber den Sicherheitseinbehalt nicht an den Auftragnehmer auszahlt, so dass er diesen “insolvenzsicher” auf einem Sperrkonto anlegen muss, wie es § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B auch vorsieht.
Im Ergebnis hatte sich also der Geschäftsführer der GmbH dadurch strafbar gemacht, dass er den Sicherheitseinbehalt nicht entsprechend angelegt hat.
Praxistipp:
Der Auftragnehmer sollte stets darauf achten, dass der Auftraggeber von dem Abschlagsrechnungen und insbesondere der Schlussrechnung nicht nur den Sicherheitseinbehalt tatsächlich geltend macht, sondern diesen auch auf ein Sperrkonto einzahlt oder dem Auftragnehmer die Möglichkeit gibt, durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft den Sicherheitseinbehalt abzulösen. Denn ansonsten trägt der Auftragnehmer, obwohl er dies überhaupt nicht muss, das Insolvenzrisiko des Auftraggebers. Ist die Auftraggeber-GmbH erst einmal insolvent, ist der Sicherheitseinbehalt meistens unrettbar verloren. Denn es gibt trotz der Vermögensbetreuungspflicht des Geschäftsführers keine Möglichkeit für den Auftragnehmer, im Insolvenzverfahren besser als andere Gläubiger zu stehen.
Zwar eröffnet diese Entscheidung nunmehr die Möglichkeit, im Falle des Forderungsausfalles gegenüber der GmbH deren Geschäftsführer persönliche auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen; jedoch zeigt die Praxis, dass die meisten Geschäftsführer einer insolventen GmbH eine ähnlich schlechte Finanzsituation aufweisen oder ihr Vermögen, wenn solches noch besteht, “gläubigersicher” auf die Seite geschafft haben. Dann nützt dem mit seiner Forderung ausgefallenen Auftragnehmer auch die persönliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers wenig.
Deshalb sollte entweder von Beginn an eine Sicherheit für den gesamten Werklohn gemäß § 648 a BGB gefordert oder darauf geachtet werden, dass rechtzeitig ein Sperrkonto eingerichtet und der Sicherheitseinbehalt auf dieses Sperrkonto eingezahlt wird. Dann ist das Geld tatsächlich insolvenzsicher angelegt worden, so dass der Auftragnehmer keine Gefahr befürchten muss, sollte der Auftraggeber trotzdem in Insolvenz verfallen.