Fabrikatvereinbarung im LV: Abweichung als Mangel, aber ohne Mängelansprüche?

  1. Enthält das zur Grundlage des Bauvertrages gemachte Leistungsverzeichnis bestimmte Fabrikate für den Einbau von Materialien ohne den Zusatz „oder gleichwertig“, so stellt der Einbau anderer Fabrikate einen Mangel dar.
  2. Trotz dieser Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit kann der Anspruch auf Mängelbeseitigung gemäß § 4 Nr. 7 VOB/B wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben im Sinne unzulässiger Rechtsausübung entfallen.(OLG Stuttgart, Urteil vom 04.04.2006 – 12 U 205/05 -, BauR 2007, S. 713 ff.)

Sachverhalt:
Auftraggeber und Auftragnehmer hatten einen Bauleistungsvertrag unter Einbeziehung der VOB/B abgeschlossen. Der Auftragnehmer hatte als späterer Beklagter ein konkretes Angebot vorgelegt und dort ganz konkrete Fabrikate für die zu erbringenden Leistungen genannt. Dieses Angebot hatte der Auftraggeber ohne jegliche Einschränkungen angenommen.

Im Nachhinein stellte der Auftraggeber fest, dass der Auftragnehmer im gesamten Bauvorhaben Rollläden und Jalousien eingebaut hatte, die Produkte anderer Hersteller waren. Er forderte den Auftragnehmer daher unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung auf und verlangte, die gesamten Rollläden und Jalousien auszubauen und durch Produkte anderer Hersteller zu ersetzen.

Als der Auftragnehmer dies verweigerte, kündigte der Auftraggeber den Bauleistungsvertrag gemäß den §§ 4 Nr. 7, 8 Nr. 3 VOB/B und verlangte Schadensersatz vom Auftragnehmer.

Das Oberlandesgericht erkannte den Anspruch dem Grunde nach zwar zu, wies die Klage dennoch ab, weil dem Auftraggeber kein feststellbarer Schaden entstanden sei.

Wesentliche Entscheidungsgründe:
Zunächst stellt das Gericht kategorisch fest, dass sich der Auftragnehmer an sein Angebot halten muss. Bietet er bestimmte Leistungen unter Verwendung von Materialien bestimmter und eindeutig konkretisierter Hersteller an, so muss er diese Positionen entweder mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen oder schlichtweg dafür haften, dass er genau diese Materialien beschaffen und auch im Bauvorhaben einbauen kann.

Danach wäre jede Abweichung vom angebotenen Hersteller ein Mangel, ohne dass es darauf ankommt, ob sich dieser Mangel tatsächlich in einer Funktionstauglichkeit auswirkt oder nicht.

Im vorliegenden Fall hat der Senat die Klage jedoch abgewiesen, weil die Abweichung sich ausdrücklich nur auf das tatsächliche Fabrikat beschränkte und auch nach Erhebung von Sachverständigenbeweisen nicht der geringste Unterschied in der Funktionsfähigkeit festzustellen war.

So hat das Gericht nochmals darauf hingewiesen, dass es sowohl für Auftraggeber als auch Auftragnehmer bei jedem Bauleistungsvertrag Treuepflichten gibt, die einzuhalten sind. Steht daher dem Auftraggeber deshalb „auf dem Papier“ ein Schadensersatzanspruch zu, muss er sich fragen, ob er diesen tatsächlich gegen den Auftragnehmer durchsetzen kann oder er sich mit der Geltendmachung seines Anspruches treuwidrig verhält und es sich um eine unzulässige Rechtsausübung handelt.

Da nicht die geringste Funktionseinschränkung festzustellen war, ging der Senat von letzterem aus.

Praxistipp:
Auftragnehmer sollten stets darauf achten, dass sie sich in den schriftlichen Angeboten gegenüber dem Auftraggeber „nicht zu weit aus dem Fenster lehnen“ und ihre Leistungen so hoch spezialisiert anbieten, dass sie nicht auf Alternativprodukte zurückgreifen können. Denn wer dem Auftraggeber „Äpfel anbietet und tatsächlich Birnen liefert, kann sich nicht darauf berufen, es handele sich schließlich bei beidem um Obst“.

Deshalb ist stets darauf zu achten, dass der Auftragnehmer seine angebotene Leistung dergestalt einschränkt, dass er nur eine bestimmte Qualität des Produktes beschreibt oder im Falle der Nennung eines konkreten Herstellers sich vorbehält, auch eine gleichwertige Leistung liefern zu können.

Denn in diesem Falle weiß der Auftraggeber, dass die vertragsgemäße Leistung entweder in der Lieferung eines Produktes des konkreten Herstellers liegen kann, jedoch auch die Lieferung eines gleichwertigen Fabrikates zulässig ist.

Will der Auftraggeber dann von sich aus darauf bestehen, nur ein einziges Produkt eines einzelnen Herstellers zu erhalten, so muss er dies ausdrücklich mit dem Auftragnehmer vereinbaren. Der kennt dann zumindest sein Risiko und kann sich überlegen, ob er eine solche Vereinbarung treffen will oder nicht.

D6/D22465

Fabrikatvereinbarung im LV: Abweichung als Mangel, aber ohne Mängelansprüche?