Aufstockungsunterhalt und Befristung

In einem Urteil vom 12.04.2006 hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage beschäftigt, ob und wann bei langer Ehedauer eine Befristung des Aufstockungsunterhaltes vorgenommen werden muss.

Die – erst durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 20.02.1986 eingeführte – Möglichkeit, den Aufstockungsunterhalt zu befristen, beruht auf dem Gedanken, dass eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards nur dann angemessen ist, wenn etwa die Ehe lange gedauert hat, wenn aus ihr gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, die der Berechtigte betreut oder betreut hat, wenn er erhebliche berufliche Nachteile um der Ehe willen auf sich genommen hat oder wenn sonstige Gründe (z. B. Alter oder Gesundheitszustand des Berechtigten) für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie sprechen. Liegen diese Voraussetzungen dagegen nicht vor, hat sich aber der Lebensstandard des Berechtigten durch die Ehe verbessert, wird es oft angemessen sein, ihm nach einer Übergangszeit einen Lebensstandard zuzumuten, der demjenigen entspricht, den er vor der Ehe gehabt hatte. Ein Aufstockungsunterhalt kommt dann nicht mehr bis zum vollen eheangemessenen Unterhalt (§ 1578 Abs. BGB) in Betracht, sondern allenfalls in dem Umfang, den der Berechtigte aufgrund seiner eigenen beruflichen Qualifikation ohne den Eintritt ehebedingter Nachteile hätte erreichen können. Mit dem Moment der Ehedauer will das Gesetz auf die Unangemessenheit hinweisen, einen Ehegatten, der in seinem beruflichen Fortkommen durch die Ehe nicht benachteiligt wurde, selbst dann zu begünstigen, wenn die Ehe nicht lange gedauert hat.

Bei einer diese Zweckrichtung berücksichtigenden Gesetzesanwendung wird der Tatrichter vorrangig zu prüfen haben, ob sich die Einkommensdivergenz der Ehegatten, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründet, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigt.

Stellt sich eine Einkommensdivergenz der Ehegatten nicht als ehebedingter Nachteil dar, kann sich eine Befristung des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt zwar gleichwohl im Hinblick auf die lange Dauer der Ehe verbieten, nämlich dann, wenn und soweit es für den Ehegatten mit dem geringen Einkommen – auch unter Berücksichtigung seines Alters im Scheidungszeitpunkt – unzumutbar erscheint, sich nach einer lang dauernden Ehe, deren tatsächlicher Lebenszuschnitt durch ein erheblich über seinen eigenen Möglichkeiten und wirtschaftlichen Verhältnissen liegendes Einkommen geprägt worden ist, dauerhaft auf einen niedrigeren Lebensstandard einzurichten, der lediglich seinen eigenen beruflichen Möglichkeiten entspricht.

Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof der Vorinstanz (OLG Frankfurt) Recht gegeben, welches einer im Zeitpunkt der Scheidung gerade erst vierzig Jahre alt gewordenen Klägerin, die nach der Scheidung rund neun Jahre lang nachehelichen (Aufstockungs-)Unterhalt bezog, lediglich einen befristeten (Aufstockungs-)Unterhalt zugesprochen hatte. Durch die weitere Befristung sollte die Klägerin zusätzlich Gelegenheit erhalten, sich auf die neuen, an ihrer eigenen beruflichen Qualifikation ausgerichteten wirtschaftlichen Verhältnisse einzurichten.

Diese Würdigung, die der im Scheidungszeitpunkt noch relativ jungen Klägerin eine unbegrenzte Lebensstandardgarantie zu Lasten des inzwischen wieder verheirateten Beklagten als unbillig versagt und ihr statt dessen eine zeitlich gestreckte Anpassung ihres Lebenszuschnitts an ihre eigenen beruflichen Existenzgrundlagen als zumutbar abverlangt, hat der Bundesgerichtshof als gerechtfertigt erachtet.

Fazit:
Erhebliche Einkommensdifferenzen vor der Ehe garantieren der (zumeist) unterhaltsberechtigten Ehefrau nicht, nach der Scheidung bis zur Rente den Lebensstandard der Ehe aufrecht erhalten zu dürfen.

 

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