Anfechtung der Vaterschaft

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 01.03.2006 entschieden, inwieweit ein gerichtlich eingeholtes Abstammungsgutachten verwertet werden darf, wenn es nicht hätte eingeholt werden dürfen, weil die Anfechtung der Vaterschaft auf eine heimliche DNA-Analyse gestützt war.

In den Entscheidungsgründen wird hierzu folgendes ausgeführt:
Wie der BGH bereits entschieden hat, kann ein heimlich eingeholtes DNA-Gutachten vor Gericht nicht verwertet werden. Es ist daher auch als Parteivortrag ungeeignet, die Schlüssigkeit einer Vaterschaftsanfechtungsklage herbeizuführen (BGH, Urteil vom 12.01.2005). Daran hält der Senat uneingeschränkt fest. …. Der Senat hat in diesen Entscheidungen zu erkennen gegeben, dass die bisherigen hohen Anforderungen der Rechtsprechung an die Umstände, mit denen ein Anfangsverdacht im Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu begründen ist, zu überdenken sein werden (BGH, a.a.O.). Ob die vom Kläger hier vorgebrachten Verdachtsmomente (dunklere Hautfarbe, fehlende Ähnlichkeit) einen ausreichenden Anfangsverdacht zu begründen vermochten, kann hier jedoch dahinstehen. …

Denn auch dann, wenn das Berufungsgericht mangels Schlüssigkeit der Klage die Einholung eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für Blutgruppengutachten nicht hätte anordnen dürfen, führt dieser Verfahrensfehler nicht zur Aufhebung des auf dieses Gutachten gestützten Urteils. …

Zwar darf das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten nicht verwertet werden, weil es sich um ein Beweismittel handelt, dass der Kläger sich widerrechtlich, nämlich unter Verstoß gegen das Grundrecht des beklagten Kindes auf informationelle Selbstbestimmung verschafft hat (BGH, a.a.O). Hingegen verstößt die Verwertung des vom Gericht in einem rechtsförmigen Verfahren eingeholten Gutachtens weder gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Beklagten, noch verstieß die vom Gericht angeordnete Blutentnahme gegen dessen Grundrecht auf körperliche Integrität (Art. 2 GG) …

Zwar setzt auch § 372 a ZPO voraus, dass die Feststellung der Abstammung entscheidungserheblich und beweisbedürftig ist, was im Falle der Unschlüssigkeit einer Vaterschaftsanfechtungsklage nicht der Fall ist. Um in einem solchen Fall einen nicht gerechtfertigten Eingriff in Grundrechte abwehren zu können, steht der Testperson aber ein Weigerungsrecht analog §§ 386 – 389 ZPO zu, das entgegen § 355 Abs. 2 ZPO auch mit dem Fehlen der Erforderlichkeit der Abstammungsfeststellung begründet und im Rahmen eines Zwischenstreits nach § 387 ZPO geltend gemacht werden kann, über den durch Zwischenurteil zu entscheiden ist (Zöller/Greger, ZPO, 25. Auflage, § 372 a Rn. 13). … Von diesem Weigerungsrecht des seinerzeit neun Jahre alten und deshalb der erforderlichen Verstandesreife für eine eigene Entscheidung ermangelnden Beklagten hat der für ihn nach § 1909 Abs. 1 BGB bestellte Ergänzungspfleger, der hierzu berufen gewesen wäre, keinen Gebrauch gemacht (wird ausgeführt).

Jedenfalls wiegt ein etwa gleichwohl anzunehmender, allein auf der vom Revisionsgericht später nicht gebilligten Auffassung des OLG in einer höchst umstrittenen Rechtsfrage beruhender erneuter Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht und die körperliche Integrität einer Partei dann nicht so schwer, dass er im Statusverfahren zur Unverwertbarkeit des eingeholten Abstammungsgutachtens führen müsste. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Verfahren – wie hier – dem Grundrechtsträger Verfahrensgarantien einräumt, die es ihm ermöglichen, sich gegen eine prozessordnungwidrig angeordnete Blutgruppenuntersuchung zur Wehr zu setzen. …

Dieses Urteil bedeutet für die Praxis:
Der Bundesgerichtshof hält an seiner Rechtsprechung fest, dass eine heimlich eingeholte DNA-Analyse in einem Prozess nicht verwertbar ist.

Sollte allerdings das Gericht von sich aus dann eine gerichtliche DNA-Analyse anordnen und weder das Kind noch dessen gesetzlicher Vertreter oder ein Ergänzungspfleger sich dagegen prozessual zur Wehr setzen, ist das Ergebnis dieser DNA-Analyse in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren voll zu verwerten.

Anfechtung der Vaterschaft