Im Mittelpunkt des Beitrags steht eine verfassungsrechtliche Beurteilung der von der Bundesregierung angestrebten Erhöhung des allgemeinen Mindestlohns auf brutto 12 € je Zeitstunde zum 1.10.2022. Es wird diskutiert, erstens, welche Auswirkungen die Mindestlohnerhöhung auf bestehende Tarifverträge haben wird. Das geplante Mindestlohnerhöhungsgesetz ruft als rückwirkendes Gesetz das Bestandsvertrauen der Bürger „in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte“ auf. Es geht, zweitens, um das betätigte Autonomievertrauen der Arbeitgeberseite in den vom geltenden Mindestlohngesetz nachgebildeten quasi-tarifautonomen Rahmen und Prozess der Mindestlohnfindung. Die Sozialpartner haben einen verfassungsrechtlichen Anspruch aus Art. 9 Abs. 3 GG auf Schutz ihres Autonomievertrauens in die Systementscheidung des Gesetzgebers für eine quasi-tarifautonome Logik der Mindestlohnanpassung. Dieses Autonomievertrauen ist auf die Einhaltung des institutionellen Rahmens des Mindestlohngesetzes und den Schutz der Tarifautonomie vor negativen Rückwirkungseffekten gerichtet.
Quelle: Arbeitsrechtberater News
Link: Verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz und das Mindestlohnerhöhungsgesetz (Schorkopf, ZFA 2022, 308)