BAG: § 90 Abs. 2 a SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für ihnen nach § 86 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen

Das BAG hat in seinem Urteil vom 01.03.2007 (2 AZR 207/06) entschieden, dass gleichgestellte behinderte Menschen nur dann den besonderen Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX genießen, wenn sie bezogen auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ihren Gleichstellungsantrag mindestens drei Wochen vorher gestellt haben.

Sachverhalt:
Die Klägerin war seit 1995 bei der Beklagten als Arbeitnehmerin beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 06.12.2004. Die Zustimmung des Integrationsamtes wurde von der Beklagten zuvor nicht eingeholt. Drei Tage vor Zugang der Kündigung, also am 03.12.2004 stellte die Klägerin bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Dem Antrag wurde im April 2005 rückwirkend zum 03.12.2004 stattgegeben. Im Kündigungsschutzprozess machte die Klägerin geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil sie zum Zeitpunkt des Zugangs derselben (06.12.2004) bereits (rückwirkend) gleichgestellt gewesen sei und somit den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX in Anspruch nehmen könne.

Entscheidungsgründe:
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen ist nach § 85 SGB IX unwirksam, wenn sie ohne Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt. Vom Zustimmungserfordernis erfasst, werden jedoch nur Kündigungen gegenüber solchen Arbeitnehmern, die bei Zugang der Kündigung bereits als Schwerbehinderte anerkannt sind oder den Antrag auf Anerkennung mindest drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt haben (§ 90 Abs. 2 a SGB IX i. V. m. § 69 Abs. 1 S. 2 SGB IX).

Das BAG hat nunmehr entschieden, dass gleiches für Arbeitnehmer gilt, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Auch sie sind vom Sonderkündigungsschutz ausgeschlossen, wenn sie den Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt haben.

Praxishinweis:
In der Vergangenheit kam es nicht selten vor, dass Arbeitnehmer in Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden Kündigung noch schnell einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt haben. Um dem entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 90 Abs. 2 a SGB IX erlassen, wonach der Sonderkündigungsschutz nur besteht, wenn der Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt wurde. Obwohl im Wortlaut des § 90 Abs. 2 a SGB IX gleichgestellte Arbeitnehmer nicht erwähnt sind, hat das BAG nunmehr einen seit längerem bestehenden Streit um dessen Auslegung beendet und festgestellt, dass die Norm auch für gleichgestellte Arbeitnehmer gilt.

*D5/D15963

BAG: § 90 Abs. 2 a SGB IX gilt nicht nur für schwerbehinderte Menschen, sondern auch für ihnen nach § 86 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen