Änderung der Rechtsprechung:
Mit Urteil vom 18.04.2007 (4 AZR 652/05) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass bei einer Bezugnahme in einem nach dem 31.12.2001 abgeschlossenen Arbeitsvertrag auf einen „Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung“, nunmehr – auch nach Austritt des Arbeitgebers aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband – grundsätzlich von der Anwendbarkeit des jeweiligen (aktuellen) Tarifvertrages auszugehen ist. Etwas anderes kann sich aus dem Vertragswortlaut und/oder den Begleitumständen beim Vertragsschluss ergeben.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Arbeitnehmerin (Klägerin) war bereits längere Zeit bei der Arbeitgeberin (Beklagten) beschäftigt. In der Folgezeit schlossen die Parteien im Mai 2002 erstmals einen schriftlichen Arbeitsvertrag. Dort war unter anderem geregelt, dass der einschlägige Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung Anwendung findet.
Die Beklagte trat später aus dem Arbeitergeberverband aus und weigerte sich, die nach Verbandsaustritt abgeschlossenen Änderungstarifverträge auf das Arbeitsverhältnis mit anzuwenden. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem BAG Erfolg.
Begründung:
Nach der früheren Rechtsprechung des BAG wurde die Bezugnahme in einem Arbeitsvertrag auf einen „Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung“ bereits dann als – durch die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers auflösend bedingte – Gleichstellungsabrede ausgelegt, wenn der Arbeitsvertrag nach seinem Wortlaut auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge verweist, die im Verhältnis Arbeitgeber zu gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern gelten (Gleichstellungsabrede). Darauf, ob es für einen solchen Regelungswillen Hinweise im Vertragswortlaut oder in Begleitumständen bei Vertragsschluss gibt, sollte es nicht ankommen. Diese Rechtsprechung hat das BAG nunmehr in dem oben dargestellten Sinne aufgegeben.
Danach war im Streitfall davon auszugehen, dass die Parteien im Arbeitsvertrag keine bloße Gleichstellungsabrede vereinbart haben, sondern der Arbeitgeber die jeweiligen tarifvertraglichen Vorschriften auch noch nach einem etwaigen Verbandsaustritt gegenüber der Klägerin anwenden sollte. Denn weder die Umstände bei Vertragsschluss noch der Vertragswortlaut enthielten Hinweise dafür, dass die Parteien lediglich eine Gleichstellung der Klägerin mit den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern erreichen wollten.
Für Arbeitsverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden, gilt aus Vertrauensschutzgründen noch die alte Rechtslage.
Praxishinweis:
Für Arbeitsverträge die nach dem 31.12.2001 abgeschlossen wurden (Neuverträge) hat sich nach der neuen Rechtsprechung die Rechtslage für den Arbeitgeber erheblich verschlechtert. Denn nunmehr ist – mangels anderweitiger Anhaltspunkte – davon auszugehen, dass bei einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf einen „Tarifvertrag in der jeweils geltenden Fassung“ mit einem nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber auch nach seinem Verbandsaustritt die Änderungstarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anwenden muss. Eine solche Anwendung scheidet hingegen bei den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern aufgrund des Verbandsaustritts und der damit fehlenden tarifvertraglichen Gebundenheit des Arbeitgebers aus (selbstverständlich würde dann etwas anderes gelten, wenn der Arbeitgeber auch mit den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern eine entsprechende individual-rechtliche, d. h. arbeitsvertragliche Bezugnahme vereinbart hätte).
Es ist also jedem Arbeitgeber dringend zu empfehlen, entsprechende Klauseln in bestehenden Neuverträgen einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer zu ändern bzw. beim Abschluss neuer Arbeitverträge eine korrekte Formulierung zu wählen. Anderenfalls drohen wirtschaftliche Nachteile in erheblicher Höhe.